Exhibition "I Love You"
Exhibition "I Love You"
Computerviren sind heut zu tage ein fester Bestandteil unseres computerisierten Alltags. Die von den mittlerweile ca. 60.000 Viren weltweit hervorgerufenen volkswirtschaftlichen Schäden verursachen Kosten in Milliardenhöhe. Im Falle des „I Love You“ Virus beziffert das unabhängige US-Forschungsinstitut Computer Economics den Schaden auf 8,75 MilliardenUS-Dollar. Die Ausstellung „I Love You“ ist ein Experiment mit zeitgenössischer Kunst. Kunst im Zeitalter der Digitalisierung besitzt ihre eigenen Paradigmen und bedient sich bis dato ungewohnter Ausdrucksformen. Grundlage sind neueste Technologien, die für die schöpferische Arbeit zugleich Material und Kommunikationsbasis sind. Eine neu heranwachsende Generation von Künstlern arbeitet mit modernster Technologie und erweitert ihr Wirkungsfeld auf die Realität der sich permanent wandelnden Informations- und Wissensgesellschaft. Unterteilt in mehrere Bereiche schlägt die Ausstellung auf einer Fläche von 150 Quadratmetern den Bogen von Computerviren als Verursacher ökonomischer Schäden zur Inspiration künstlerischen Schaffens. An mehreren Rechnern werden das äußerliche Erscheinungsbild (payloads) ausgewählter Virenprogramme und ihre Auswirkungen dargestellt. An isolierten Terminals („in the zoo“) können die Besucher eine Virensammlung mit circa 400 aktiven Viren einsehen, mit Viren wie „badboy“ oder „suicide“infizierte Dateien aktivieren und die Rechner zum Absturz bringen. Hintergrundinformationen zur Entwicklung des Phänomens bis zum heutigen Tagbietet die Darstellung der 30-jährigen Geschichte der Computerviren und ihrer technischen Entwicklungen. Die Netzkünstler 0100101110101101.ORG und „epidemiC“ präsentieren die Computerviren „biennale.py“ und „bocconi.py“, welche über ihre Eigenschaft als selbstreproduzierendes Programm hinaus zu sozialen Kunstwerken erklärt wurden. Einblicke in die Hackerethik und die ästhetische Funktion der Computerviren bietet mit einerAuswahl seiner Programme der Hacker und Free Software Programmierer Jaromil. Programme wie der Flugzeugsimulator von Carl Banks zeigen die Faszination des Programmierens als Spiel mit Form und Funktion.
Eine weitere Perspektive zeigt den Programmiercode als Sprache, der über seine reine Funktionalität hinaus einen hohen ästhetisch-künstlerischen Anspruch hat. Den Viren zugrunde liegende Quellcodes dienen mit ihrer Ästhetik als Ausgangspunkt für Vergleiche mit experimenteller Literatur der frühen Avantgarde. Ähnlich der experimentellen Poesie der frühen Avantgarde - Baudelaire, Rimbaud, der poètes maudits sowie Apollinaire und die Surrealisten experimentieren Code Poets mit dem zugrunde liegenden Material der heutigen Informationsgesellschaft.
Der Brisanz des Themas in seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Dimension trägt die Ausstellung durch die Beteiligung des Antivirensoftware-Herstellers Trend Micro Rechnung, der im Kontrast zu den künstlerisch motivierten Hacktivisten der digitalen Kunstszene weniger Gefallen am ästhetischen Aspekt der Schaffungvon Computerviren findet und stattdessen unter dem Stichwort „Intuitive Information Security“ Strategien gegen stets intelligenter werdende Virengenerationen entwickelt.