podium: das ende des unvorstellbaren

podium: das ende des unvorstellbaren

Date: 
24.02.1996 18:00
Edition: 
1996
Format: 
Panel
Location: 
Podewil

Dieses Jahrtausend läuft aus mit einem neuen Schöp­ fungsbegriff: Schöpfung, Evolution und Schicksal sind nicht mehr bloß gegeben. Der Mensch greift
ein. Gentechnologie, Künstliche Intelligenz, Insemination, Artificial Life sind der Beginn der Realisierung des omnipo­ tenten Weltentraums.
Dem zukünftigen Prozeß der digitalen Bildererzeugung kön­ nen wohl die gleichen Gesetzmäßigkeiten vorhergesagt werden wie jeder anderen bisher entwickelten oder sich noch entwickelnden Technologie, beispielsweise der Gen­ technik. Es gilt das Grundgesetz: Das Vorhandensein von Wissen macht seine Nutzung unvermeidlich. Nach allem, was zu einem gegebenen Zeitpunkt erforschbar scheint, wird geforscht. Neue Erkenntnisse wiederum werden zwangsläufig in die Produktion alles irgendwie Möglichen umgesetzt.
In Zukunft werden Bilder durch die Verwendung von Computern beliebig generierbar sein. Es ist also davon auszugehen, daß auch jedes irgendwie produzierbare Bild reali­ siert werden wird. Alles Gedachte und Imaginäre - was weder auf Film, Video oder anderen Trägermedien festzu­ halten war - läßt sich in scheinbar authentische Abbildun­ gen umsetzen. Unvorstellbares oder bisher nicht Darstell­ bares kann visualisiert werden.
Das bedeutet uneingeschränkte Kreativität im besten Falle, ebenso aber auch totale Manipulation. Parallel zur anstei­ genden Technisierung wird die Imagination der Produzenten zunehmend wichtiger. Das heißt erstens, wer Imaginationen am besten in die Maschinen einspeisen kann, wird an die Spitze der Produktion rücken. Und zweitens, je mehr die Phantasien der Vorstellungskraft der Allgemeinheit entspre­ chen, desto größer wird der Marktanteil. Die Perspektive ist sicherlich, die Imaginationen direkt in den Computer zu transferieren und umgekehrt Bilder direkt in das Gehirn ein­ zuspeisen.
Dies ist der nächste, große Schritt auf dem Weg in die Des-Informationsgesellschaft aufgrund der dann gegebenen Möglichkeiten von Terror, Subversion, Kontrolle und Macht.
Es sei ein Ausblick gestattet auf die (Er-)Zeugung, Manipu­ lation und Abtreibung von Bildern: Bildgenetiker In artifiziel­ len Imaginationslaboren, visuelle Mutationen, direkte Hirn­ einspeisung visueller Drogen, Strafbildkolonien - das klingt wie Burroughs und Gibson auf dem Fun-Fair. Die Parallele zur Gentechnik liegt nahe: Ist ein Bild generiert, muß über seine weitere Existenz entschieden werden. Der „Abort"- Befehl ist gängiges Maschinenvokabular: Jedes Canceln gleicht einem Schwangerschaftsabbruch. Vielleicht könnte
ja der Vergleich mit solch einer bereits hart umstrittenen Problematik Ausgangspunkt einer provokanten Diskussion sein.

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