Deutsche Videogeschichte 1

Deutsche Videogeschichte 1

Date: 
12.02.1994 12:00
Edition: 
1994
Format: 
Panel
Location: 
Podewil

VideoTapes in Deutschland - der Anfang: die 60er und 70er Jahre - von Fluxus zum Satelliten- Kunstprogramm
Die Videokunst beginnt in Deutschland 1963, zum einen mit der ersten Ausstellung von Nam June Paik, die manipulierte Fern­ sehgeräte in der Galerie Parnaß in Wuppertal Im März 1963 zeig­ te, zum anderen mit dem ersten Videoband-Kunstwerk "Sun In your head" von Wolf Vostell, ebenfalls im Jahr 1963 - wobei man natürlich hinzufügen muß, daß es sich hier um Film als Aus- gangsmaterlal handelt, denn erst ab 1965 gab es überhaupt die ersten Kameras und Video­ bänder. Aber Wolf Vostell, der in dieser Zeit in Köln lebt, meinte schon weit vorausgreifend das Videoband und den Abspielort Fernsehgerät, als er einen "ge­ störten" bzw. In seinem Sprach­ gebrauch "de/ collaglerten" Fernseher mit seinem Programm abfilmte. Mit der Fluxus-Anti-Ge- ste, mit der Rache des Nutzers gegenüber dem "Großen Bru­ der" begann die Videokunst, und zwar in Europa. Die nächste "Generation" wollte schon das Fernsehen nutzen, der führende Kopf war der Filmema­ cher Gerry Schum, der für das Fernsehen ein Feature über "mul­ tiples" produziert hatte und fol­ gerichtig eine "Fernseh-Galerie" mit speziell für den Zuschauer zu­ hause produzierten Kunstwerken einrichten wollte; der SFB und der WDR (Werner Höfer, Wlbke von Bonln), die zuvor schon Otto Piene die erste Künstler-Fernseh­ produktion überhaupt ermög­ lichten ("Black Gate Cologne"), halfen ihm dabei. So produzierte Gerry Schum 1969 mit Richard Long, Barry Flanagan, Dennis Oppenheim, Jan Dlbbets, Walter de Maria u.a. "Land Art" als "Fernsehausstellung I" und ani­ mierte einzelne wie Iml Knoebel zu unabhängigen ersten Video- Projekten, auch wenn die tech­ nische Realisierung damals nur mit Film möglich war. Ein Diaprojektor mit einem Licht-X wird auf einem Wagen mit gleicher ruhi­ ger Geschwindigkeit gefahren und zugleich aufgenommen. Fläuser, Lichtreklamen, Perspekti­ ven verändern scheinbar die Projektionsform. Ein strenges Kon­ zept löst sich visuell poetisch auf. Die ersten eigenständigen, mit Video arbeitenden Künstler sind drei Frauen: Ulrike Rosenbach, Rebecca Florn und Friederike Pezold. Performance, Körper­skulpturen, Abstraktionen der schwarz-weißen Körperbewe­ gungen sind Ausgangspunkte für die frühen Videoarbeiten. In "Re­ flexionen über die Geburt der Venus" verbindet Ulrike Rosen­ bach ihre eigene Person in langsamer Drehung mit der Pro­jektion von Botticellis Bild, unter­ legt mit einem Bob Dylan-Song, Die Frage nach dem wahren Bild der Frau, dem Image, das er­ scheint und ausgelöscht wird durch die eigene Person, Ist das Thema. Rebecca Horn erzählt In "Berlin - Übungen In neuen Stücken" kleine Episoden, die persönliche Erfahrungen poe­tisch sinnlich umsetzen. Ein Le­ ben in einem engen Raum öff­ net sich in phantastische Ge­ schichten, Bilder und Tänze. Frie­ derike Pezold untersucht die im wahrsten Sinne des Wortes "leib­ haftige Zeichensprache eines Geschlechts", Indem ein schwarzes Dreieck die Scham, zwei Kreise die Brustwarzen etc, darstellen. Mit Klaus vom Bruchs "Propeller­ band" wird der neue Ansatz ei­ ner jüngeren Generation ange­ deutet, die die eigene Perfor­ mance mif streng rhythmisierten, sich wiederholenden Zitaten aus Krlegsfilmen und Themen der deutschen Vergangenheit ver­ binden. Der Computer als Schnitthelfer, die Kombination von eigenen und zitierten Bil­ dern, die formale Strenge und das Thema "Deutsche Geschich­ te als Gegenwart" zeichnet hier eine neue Qualität aus. Als Schlußpunkt folgt hier die do­ cumenta 6 (1977) - Eröffnung per Satellit mit für diese Sendung konzipierten Werken von Beuys, Paik und Davis, vom WDR und HR gesendet und an elf weltwei­ ten Stationen empfangen; es sind jeweils 9-minütlge eigen­ ständige Werke höchst unter­ schiedlich in Struktur, Form und Inhalt - wie die Videokunst eben selbst auch Immer war und ist. Wulf Herzogenrath. Sun in Your Head; Black Gate Cologne; Fernsehgalerie I: Land Art; Projektion X
Reflexionen über die Geburt der Venus; Berlin - Übungen in neun; Stücken; Die neue leibhaftige Zeichensprache; Das Propellerband; documenta 6 - Eröffnung per Satellit

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