Basics: Kontrolle der Korper

Basics: Kontrolle der Korper

Date: 
24.05.1997 14:00
Edition: 
1997
Format: 
Panel
Location: 
Podewil

Im Forschungsansatz der molekularen Nanotechnologie wird die Produktion von Maschinen angestrebt, die im Nanometer-Bereich operieren, das heißt mit Materie, die nicht größer ist als ein millionstel Millimeter. „Die Na­notechnologie", schreibt ihr Vordenker Eric K. Drexler, „wird sich auf die Ebene der Moleküle begeben und mit elektronischen Hilfsmitteln arbeiten.
Mit Computern und Roboterarmen, die kleiner als eine lebende Zelle sind, wird man fast alle denkbaren Strukturen bauen können, Atom für Atom". Diese Vision ist nicht unumstritten. Zwar ist es heute möglich, unter besonderen Bedingungen einzelne Atome zu bewegen und Werkstoffe im industriellen Maß­ stab herzustellen, deren Korngröße nur einige hundert Atome umfaßt, doch die molekulare Ansteuerung aller Dinge ist in weiter Ferne. Die Chance ihrer Ver­ wirklichung ist schwer vorherzusehen, da verschiedene technische Entwick­ lungen in komplexen Wechselbeziehun­ gen stehen und sich rasche Fortschritte ergeben können. Es gibt die Tendenz zur Miniaturisierung der Technik, zu weiteren Beschleunigungen. In der Mikrosystemtechnik wird man in diese Bereiche Vordringen, die eigentliche Nanotechnologie aber, die in der künst­ lichen Auslösung von genuin biologi­ schen Prozessen der Selbstorganisation besteht, so daß Objekte sich quasi selbst zusammensetzen, befindet sich allenfalls im Experimentierstadium. Die Verwirklichung einer solchen Tech­ nologie würde eine kulturelle Transfor­ mation nach sich ziehen, die tatsäch­ lich eine „Umwertung" aller Werte be­ deutet. Wenn Objekte beliebig für je­ den in einer Art „persönlichem Objekt­ macher" hergestellt werden, sind Kate­ gorien wie Arbeit, Besitz, Rohstoff, En­ ergieversorgung, Wachstum u.a. neu zu fassen. Es entsteht ein neues Verhältnis von Kontrolle und Nicht-Kontrolle der Körper, eine neue Dichte der Künstlich­ keit: Materie wird in ihren kleinsten Bausteinen ein Feld der Manipulation, was auch bedeuten kann, daß die Be­ziehung einer „Idee" zur „Materie" näher rückt. Was man sich nanotechno- logisch an Objekten vorstellt, kann un­ ter Umständen augenblicklich „Wirk­ lichkeit" werden. Wolfgang Neuhaus

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