Eröffnung: Artist in Residence Jean-Louis Le Tacon Documentaries
Eröffnung: Artist in Residence Jean-Louis Le Tacon Documentaries
Geboren am 12. Januar 1945 in der Bretagne. Zunächst beschäftigt er sich mit Soziologie und stößt, angeregt von Dziga Vertov, auf den militanten Film; ergründet 1971 die Polit-Filmgruppe Tor e Benn. Von 1973 - 77 ist er Lehrbeauftragter für Soziologie der Massenmedien an der Universität von Rennes und von 1977 - 78 Berater und Regisseur in Saint-Cadou im Atelier de Creation Audiovisuelle. Anschließend geht er zu Studienzwecken nach Paris, wo er die Vorlesungen von Jean Rouch besucht. Der 1977 auf Super 8 gedrehte Film Cochon qui s'en dedit (Das Schwein, das widerruft) ist seine Doktorarbeit und erhält 1980 den Georges-Sadoul Preis. Le Tacon erlebt einen ebenso aufsehenerregenden wie kurzen Auftritt unter den Scheinwerfern des Ruhms. Le Monde spricht von einer wunderbaren Regieführung, Telerama von diesem kleinen... scharfen antikonformistischen und nach Schwefel riechenden Pamphlet, Sonovision erinnert an Bunuel.
Elf Jahre später hat der Film noch kein graues Haar und Le Tacon nichts von seiner Ausdrucksstärke verloren, seine Arbeit geht weiter... Doch wen interessiert das? Um als freier Regisseur leben zu können, macht Le Tacon, wie viele seiner Kollegen, Auftragsfilme, arbeitet fürs Fernsehen. Dabei verliert er sich nicht im Konventionellen. Er bleibt weit davon entfernt, das Gesetz des einfachsten Weges zu befolgen. Seine Eigenheit hat erbewahrt, ohne sich festzufahren oder festlegen zu lassen, und eine umfangreiche, originelle Produktion hervorgebracht. Dabei hat er sich jedem Karriereismus verweigert. Ist das der Grund, daß sein Name und seine Arbeit so wenig bekannt sind? Zweifelsohne nimmt Le Tacon in der Öffentlichkeit nicht den Platz ein, der ihm dank seiner Arbeiten zukommen sollte. Warum? Diese Tatsache scheint symptomatisch dafür, wie schwer sich der Film damit tut, zu erneuern, seine Innovatoren aufzunehmen und sich äußeren Einflüssen zu öffnen. Doch Le Tacon ist nicht verschwunden, er hat nur einen anderen Weg eingeschlagen: Video. Vielleicht habe ich einfach Angst vor dem Film mit seiner Arbeitsteilung, seinen riesigen Budgets... Ich bin aber auch nicht besessen vom Langspielfilm, vom Samstag- Abend-Film... Gibt es im Film denn genügend Raum für etwas anderes als den traditionellen Langspielfilm? Zweifel... Jean-Louis Le Tacon paßt in keine Schublade. Er arbeitet sowohl an einer Modenschau von Gaultier wie an einer Choreographie von Daniel Larrieu, wechselt vom Dokumentar- zum Spielfilm, vom Rock'n Roll zum Comic. Seine Nicht-Greifbar-keit ist eine optische Täuschung, ist lediglich Effekt der Vielgestaltigkeit seines Werkes. Ich bin für experimentelle Problemstellungen, diese Neigung der Kunst ist der Weg, auf dem sie zu etwas gelangt, das vorher nicht existierte, auch auf die Gefahr hin, diese Kunst in die Luft zu jagen. Ich habe für mich immer das Autoren-Video in den Vordergrund gestellt, d. h die Beschäftigung mit Formen, die in einem bestimmten Thema verankert sind. Ich glaube, daß eine neue Art von Film ent-stehen wird: der 'Video- Film' oder 'elektronisches Kino', Arbeiten von entsprechender Länge, die das elektronische Material be- und mißhandeln. 'Extrait de naissance' ist ein erster Versuch, der beweist, daß tausend Verkürzungen möglich sind für die Übersetzung einer Emotion.Die theoretische Debatte ist noch nicht abgeschlossen. In einem von ihm mitunterzeichneten Manifest heißt es unumwunden: Die alten Konventionen des Erzählens gehen nicht mehr... Es steht unumstößlich fest: der Film von morgen wird elektronisch oder er wird gar nicht sein. Das Formale wird jedoch nie Selbstzweck - Le Tacon strebt nicht nach Abstrak-tion bis zum Exzeß. Wenn er weiter spürt, erforscht er, was das Leben an Konkretem, an Trivialem zu bieten hat. In Entrez donc! berührt er tief vergrabene Geheimnisse und filmt mit einer explosiven Mischung aus Takt- Gefühl und Gewalttätigkeit, aus Scheu und Exhibitionismus, all das, was man nicht macht. Mir gefällt am Video das Unmittelbare: Man schaut sich ein Bild sofort an, nimmt es mit nach Hause, bringt es auf den Fernsehschirm. Es ist in der Arbeit ein wenig wie im Atelier eines Malers... mir persönlich gefällt das. Auch wenn man weiß, daß die Realität über die Fiktion hinausgeht, interessieren sich die Filmemacher jedoch vor allem für die Fiktion. Diese Regel gilt ebenso für Le Tacon. Doch er hat das Traumhafte und die ungeschminkte Wirklickeit von Beginn an vermischt, aber wendet sich niemals ganz vom Dokumentarischen ab. Nach einem Artikel von F. Ode