multimedia 9: design und cd-rom

multimedia 9: design und cd-rom

Date: 
19.02.1996 12:00
Edition: 
1996
Format: 
Screening
Location: 
Podewil

Wie soll man Multimedia beschreiben, wo es doch in der multidimensionalen Natur des Mediums lieght, daß jede Erfahrung einmalig und einzigartig ist. Auf das Erscheinungsbild einer Arbeit einzugehen, scheint nicht mehr entscheidend. Die Aufmerk­ samkeit muß sich auf die Datenstrukturen (Inhalt) und die Art und Weise, in der diese verbunden sind, richten. Also eine Analyse im Blick darauf sein, wie Information zu weite­ rer Information führt und wie Menschen damit interagieren. Es geht um das Medium Computer - von Alan Turing be­ schrieben als eine Maschine, die jede Maschine sein kann, eine symbolische Maschine. Der Multimediakünstler wird zum Erfinder von Maschinen und zum Designer der Wech­ selbeziehungen zwischen Mensch und Maschine. Hiermit ist nicht die Maschinenkunst in der Ästhetik des 19. Jahr­ hunderts gemeint, sondern eine linguistische Kunst, die Tur- ings Vision des Computers als linguistisches System wider­ spiegelt. Dies wirft Fragen zur Rolle des Künstler auf. Das Netz kann als Sozialraum betrachtet werden, in dem die Menschen verschiedene Rollen einnehmen. Auch Kunstler haben einen Platz (eine Rolle) in der Gesellschaft. Es ist wichtig, die Diskussion auf der Suche nach definitiven Aussagen zur Rolle des Künstlers nicht einzuengen, sondern die Vielfalt mögli­ cher Rollen zu erkennen, insbesondere in bezug auf Multi­ media und das Netz mit seiner Vielzahl von Sozialräumen. Die Idee, daß ein Computerhacker einem Publikum etwas zu sagen haben könnte, das man normalerweise in Kunst­ galerien, Kinos und Theatern findet oder das sich mit Literatur beschäftigt, ist ein Anzeichen für diese wachsende Vielfalt. Neben den traditionellen Rollen des Künstlers ent­ stehen neue. Das führt zu den Fragen, was einen Künstler eigentlich ausmacht und was als Kunst betrachtet werden kann. Ist das nicht eine Voraussetzung für kreative Arbeit? Der Künstler betrachtet die Konventionen verschiedener Kunstformen und deren soziale Wirklichkeit als Ausgangs­ material, das er manipuliert und synthetisiert. Dabei erweitert sich der Begriff Multimedia. Multimedia ist nicht mehr nur eine Mischung verschiedener Formen (Sound, Image, Text), sondern beinhaltet auch die kreativen Disziplinen (Visuelle Kunst, Film, Musik, Literatur, Publishing, Theater, Computerarbeit) und die soziale Wirklichkeit, der diese Dis­ ziplinen unterliegen, auf die sie aber auch zurückwirken. Im letzten Jahr hat sich die Produktion von CD-ROMs nicht verringert, es scheint aber immer weniger Neuerungen zu geben. Das Medium entwickelt sehr rasch Konventionen. Viele Künstler scheinen dies recht zufrieden zu akzeptieren, andere wenden sich neuen Bereichen zu. Etliche Künstler, die in den Anfängen CD-ROMs produzierten, haben ihre Arbeit ins Netz verlagert. Geschieht das aus wirtschaftlichen Beweggründen (eine Website ist wesentlich billiger einzu­ richten und zu unterhalten als eine CD-ROM-Edition) oder steht dies mit den dem Netz eigenen Charakteristika in Zu­ sammenhang?
Simon Biggs. Manuscript; V.O.L.V.O. Airbag CD-ROM

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