TV-MARATHON: Die Fernsehexperimente von Herbert Feuerstein und Walter Kempowski
TV-MARATHON: Die Fernsehexperimente von Herbert Feuerstein und Walter Kempowski
Den Abschluß der Sektion Fernsehen bildet eine außergewöhnliche Begeg nung: Herbert Feuerstein und Walter Kempowski stellen ihren medialen Mara thon vor - Fernsehgucken und Fernseh machen als Dauerexperiment. Hat der Entertainer eine zwölfstündige Livesen dung mit 300 Programmpunkten vor der Kamera absolviert, so hat sich der Schrift steller sozusagen auf der anderen Seite pausenlos einem Fernsehtag vor dem Bildschirm hingegeben. Zum einen kommunzierte Herbert Feuerstein vom
7. auf den 8. September 1997 von seiner verkabelten Dachwohnung aus mit einer Reihe von Prominenten und Überra schungsgästen. Über Handy, Bildtelefon, Fax, Anrufbeantworter, Satelliten-Wagen, Kameras und stumme Nachrichten auf dem Monitor hielt er tapfer Kontakt mit der Außenwelt, obwohl erzeltweise das Gefühl hatte,,,ferngesteuert sinnlos durch die Gegend zu laufen."
Unterstützt wurde er von einem Troß von 140 Mitarbeitern des WDR, die zen tral die Sendung strukturierten und die Verbindungen vorbereiteten - insgesamt ein Fernseh-Großereignis, das zur Freude des Intendanten Fritz Pleitgen sogar beachtliche Quoten erzielte...
Zum anderen hat Walter Kempowski in Anlehnung an das literarische Vorbild „Ulysses" von James Joyce versucht, die tägliche Flut von Informationen und Bil dern in einer scharfen Momentaufnah me festzuhalten. Am 16. Juni 1997 surfte er per Fernbedienung durch die TV-Ka- näle, protokollierte alle Programm schnipsel und fügte sie zu einer literari schen Collage zusammen: Das Buch „Bloomsday'97" wird zu elnem„Spiegel, der den Aberwitz und die Infamie, das Infantile und zugleich Terroristische unserer Medienwelt schlagend und be weiskräftig vor Augen führt". Auf diese Weise bricht der Autor mlt„ästhetlsch- literarischen Mitteln die kollektive Be wußtseinstrübung und objektiviert die Vergeblichkeit kulturpessimistischer Reden und pädagogischer Bemühun gen" - so der Pressetext des Albrecht Knaus-Verlages in München.
Zeigen werden wir zum einen einige prägnante Ausschnitte aus der Live-Sen- dung„Feuersteins Nacht von acht bis acht",deren Zusammenfassung in einem „Best o f bereits am Tag zuvor im Night- flight am 21.2. ab 22.30 Uhr in voller Länge in einer Voraufführung zu sehen ist.
Zum anderen wird die bislang unveröf fentlichte Video-Dokumentation „Bloomsday'97" als„Kempowskls Hades fahrt in die virtuellen Welten" von Peter M. Hetzel präsentiert (D, 1997, Betacam, 20 Min.). Danach ist ein Gespräch mit Claudia Henne als Moderatorin an gedacht, das die Motivation und Arbeit der beiden Protagonisten verständlich machen und Aufschluß darüber geben soll, wie diese Versuche zwischen Selbst erfahrung und Programmauftrag oder zwischen Manie und Masochismus einzuordnen sind.