Zeittransgraphie, Videolabyrinth und Gábor Bódy

Essay
16.10.2017

Zeittransgraphie, Videolabyrinth und Gábor Bódy

Ásdis Thoroddsen (dffb class of 1983) with a selection screen from Mutabor III/Videolabyrinth, playing during VideoFest 1988 at MedienOperative, Potsdamer Str. 96. Photo: Friederike Anders.

Die Deutsche Film- und Fernsehakademie (dffb) war in den 1980er Jahren ein Zentrum lebhafter künstlerischer und intellektueller Diskurse. Inspiriert vom Punk experimentierten dort Student_innen und Professor_innen mit neuen elektronischen Medien, mit deren Hilfe sie traditionelle Erzählformen aufbrachen und Arbeiten schufen, die auf große Resonanz in der internationalen Kunstszene stießen. Der Direktor der dffb, Heinz Rathsack, war daran interessiert, mit der Zeit Schritt zu halten;  im Februar 1985 lud er den angesehenen ungarischen Filmemacher Gábor Bódy ein, in einem Seminar seine Gedanken zu nicht-narrativen künstlerischen Arbeiten und der Zukunft des digitalen Bildes zu teilen. Bódys oftmals esoterische Ideen dienten den Student_innen als Inspiration für die Projektreihe Zeittransgraphien – und für eine spätere Serie aus drei Arbeiten mit dem Titel Videolabyrinth. Konzipiert wurde dieses Projekt für interaktive Videodisks – ein Medium, das Bódy nachhaltig faszinierte. Während der Produktion der ersten Arbeiten starb Bódy jedoch unter mysteriösen Umständen, was den Experimenten mit zeitlicher Sequenzierung eine unheimliche Symbolik verlieh. Friederike Anders, damals Studentin an der dffb, erinnert sich vor dem Hintergrund von globalen Ereignissen wie auch der weiteren Entwicklung der Akademie an den Entstehungsprozess der Kunstwerke.

 

Die Auseinandersetzung mit diesen Zeitzeugnissen erscheint heute angesichts der mangelnden archivarischen Erhaltung von Videoarbeiten, die zu jener Zeit produziert wurden, besonders dringlich. Videos wurden nie systematisch katalogisiert; viele Student_innen verließen die Akademie mit den Originalexemplaren auf Kassette. Sucht man heute im Archiv der dffb beispielsweise nach Videolabyrinth, findet man keinen Eintrag – und auch Metadaten fehlen. Jenseits der spezifischen Eigenheiten jeder Institution verweist dieses Fehlen von nahezu einer Dekade elektronischer Kunst aus der Geschichte der dffb auf die weiter gefasste Frage, wie sich experimentelle Medienkunst – insbesondere aus bewegten Zeiten – katalogisieren lässt. Anders’ persönliche Geschichte ist somit ein Aufruf, archivarische Bemühungen zu verstärken – und gleichzeitig selbst ein wichtiges Beweismittel. 

Photocopy of a U-matic video cassette.

 

Die Ankunft der „Neuen Medien“ in der dffb

Es war die Zeit, als die West-Berliner U-Bahn unterhalb von Ost-Berlin noch Geisterbahnhöfe durchquerte. In den Stadtvierteln, in denen die Studenten lebten, roch es im Winter nach Kohleöfen, und niemand von uns dachte im Traum an eine „Wende“ − obwohl sie in weniger als 5 Jahren bevorstand.

Die Deutsche Film– und Fernsehakademie (dffb) befand sich im 4. und 5. Stock des Deutschlandhauses am Theodor-Heuss-Platz, am Scheitelpunkt von Heerstraße und Kaiserdamm, mit direktem Blick auf die Leuchtschrift des Senders Freies Berlin (SFB). Während andere Menschen schliefen oder im Dschungel tanzten oder im Risiko herumstanden, sorgte hier ein 24-Stunden-Pförtnerdienst dafür, dass die Studierenden der dffb auch in der Nacht noch arbeiten konnten − ein Service, von dem vor allem auch die Nutzer des Raumes Nr. 546 − des High-Band-Videoschnittraumes − ausgiebig Gebrauch machten.

Seit einiger Zeit schon entstanden hier Filme, die weder für das Kino noch für das Fernsehen konzipiert waren, sondern sich − inspiriert vom Punk − an Musik (Sampling) und bildender Kunst (Dadaisten, Situationisten) orientierten. Die Autoren und Autorinnen dieser Arbeiten wollten die Sprache der Kinematographie nicht nur anwenden, sondern dechiffrieren, um sie dann wieder neu zusammenzusetzen − aber nicht unbedingt in chronologisch-linearer Reihenfolge.

Dieses − ziemlich anti-narrative − Interesse war zunächst keineswegs auf Video beschränkt – Filme wie Flug durch die Nacht (1980) von Ilona Baltrusch oder Okay Okay. Der Moderne Tanz (1979/80) von Christoph Dreher und Heiner Mühlenbrock entstanden auf 16-mm-Film. Im gleichen Zeitraum entstand aber auch eine wegweisende Videoarbeit, die installativ auf zwei Monitoren präsentiert wurde: Seins-Fiction (1980) von Gusztáv Hámos. Es ging um Raumfahrt und Jenseits, und die Darsteller traten in West-Berliner U-Bahn-Zügen auf, die durch unterirdische Geisterbahnhöfe fuhren.

Ganz sicher war die Hinwendung zu elektronischen Medien an der dffb nicht ursprünglich auf einen modischen oder kommerziellen Technik-Hype zurückzuführen. Denn wichtig war vor Allem eins: die abgenutzten Repräsentationsschemata des „Spektakels“ mit jedem geeigneten audiovisuellen Mittel zu dekonstruieren.

Für diejenigen, die sich für das „Recycling“ vorgefundenen (TV-)Materials interessierten, was zum Beispiel von Christoph Dreher und Gusztáv Hámosz stark propagiert wurde1, wurde Video dann doch das Mittel der Wahl.

Die in der Folge entstehenden künstlerischen Videoarbeiten aus der dffb fanden sehr gute Resonanz: Sie wurden in den 1980er Jahren auf Ausstellungen und Festivals weltweit eingeladen, über das internationale Videomagazin Infermental2 verbreitet, von Fernsehredakteuren entdeckt und von Kritikern im Ausland sogar als „Berlin School of Video“ oder als „L’École de Berlin“ diskutiert.3

Die wohlwollende Öffentlichkeit der Akademie erreichte sie jedoch kaum, und es gelang der dffb auch nur lückenhaft, die u-matic Masterbänder offiziell für die Nachwelt zu archivieren − weswegen sie bis heute schwer auffindbar und mittlerweile auch technisch schlecht abspielbar geworden sind.4

Warum also verabschiedeten sich Studierende freiwillig aus dem Tagesgeschehen der Akademie, um stattdessen nachts mit der analogen Schnittsteuerung zu ringen? Warum überantworteten sie ihre Arbeit einer Technik, die so auflösungsschwach, farbunstabil, kopierverlustbehaftet und vorhersehbar flüchtig war?

Video erzwang aufgrund seiner bildlichen Unzulänglichkeit einen Abstand zum Bildgegenstand, der den Blick auf das Strukturelle darunter freilegte, oder den Rhythmus betonte. Die Schnittsteuerungen der zweiten Generation erlaubten schon seriell programmierte Abfolgen, die man virtuell − also vermittels eines elektronischen Previews − ausführen konnte, ohne das Material physisch zu verändern.

Diese Vorgehensweisen schienen sich genau jenen immateriellen „Strömen“ und „Intensitäten“ zu verdanken, die Deleuze und Guattari als „rhizomatisch“ oder „nomadisch“ empfahlen.5 Das legte auch einen freieren Zugriff und eine respektlosere Nutzung nahe, als der photochemische Film zuließ, der immer erst ins Kopierwerk musste, um danach dauerhaft fixiert zu sein. Ganz unbeeindruckt vom damals grassierenden Techno-Optimismus waren wir allerdings nicht − sogar als Volkszählungsgegner und Fernsehverächter wurden wir davon ergriffen. Die Verheißungen der heraufdämmernden „telematischen Gesellschaft“ (Vilém Flusser) waren jedenfalls gigantisch.6

Überall war von „Renaissance“ die Rede, und von „Befreiung“: der Zuschauer, des Mediums und sogar der Phantasie selbst. Selbst die kritischeren unter den Medienpropheten gingen davon aus, dass die zukünftigen „Einbildner“ (Flusser) keine Filmemacher im althergebrachten Sinn mehr sein würden, sondern Computerkünstler.7

Auch der Direktor der dffb, Heinz Rathsack, wollte nun bei der Einführung der Neuen Medien nicht länger hinten anstehen.

Wie seine Diskussionsbeiträge auf dem dreitägigen Special Effects-Seminar an der dffb im Februar 19858 zeigen, war er sogar dringend daran interessiert, dem technischen und organisatorischen Vorsprung der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in München etwas entgegenzusetzen − dort hatte gerade Roland Emmerich mit seinem Abschlussfilm Das Arche Noah Prinzip (DE 1984) für Aufsehen gesorgt, und eine andere Bernd Eichinger-Produktion, Die Unendliche Geschichte (DE 1984), galt sogar als das damalige Nonplusultra deutschen Special Effects-Kunsthandwerks − eine Einschätzung, die im Raum 546 der dffb allerdings niemand teilte.

Um hier vielleicht auch inhaltlich einen etwas anderen Schwerpunkt zu setzen, wurden zum dffb-Seminar mit Theodor Nischwitz und Albert Whitlock nicht nur zwei ehrwürdige Altmeister der Filmtricktechnik vorgestellt (Nischwitz hatte schon bei Münchhausen, Amphitrion und in der Raumpatrouille Hand angelegt, und Whitlock hatte in vielen Hitchcock-Filmen die täuschend echten Hintergründe auf Glasplatten gemalt), sondern auch der ungarische Experimentalfilmregisseur Gábor Bódy (1946–1985) war eingeladen.

 

Er galt im Westen − nicht erst wegen seines Opus Magnum Narziss und Psyche (HU 1980) − als der „ungarische Andrei Tarkowski“, obwohl Bódy gleichzeitig viel poppiger und mystischer sowie − neben einer irritierenden Neigung zum Okkulten − stärker an Semiotik interessiert war. Ulrich Gregor nannte ihn 2008 einen der radikalsten und innovativsten Erneuerer des europäischen Kinos.9

Bereits 1982, als Bódy aufgrund eines DAAD-Stipendiums in West-Berlin lebte, hatten die Studenten Christoph Dreher und Gustáv Hámos − die Dank der Drittelparität auch als Studierende auf das Lehrprogramm Einfluss nehmen konnten − ihn erstmals als Dozenten gewinnen können.

Und nun war er dazu auserkoren, im Panel für etwas frischen, elektronischen Wind zu sorgen. Dazu kam es aber erst am dritten Tag.

In den ersten beiden Seminartagen erhielten zunächst Theo Nischwitz und Albert Whitlock ausführlich Gelegenheit, detailliert und anekdotenreich ihre Special Effect-Techniken, wie beispielsweise anhand von Hitchcocks Die Vögel (US 1963), zu erklären. Das war große Filmgeschichte, und wurde hoch gelobt vom moderierenden Rolf Giesen.

Was die Zukunft der Special Effects betraf, vertrat besonders Whitlock allerdings konservative Thesen: Es handele sich um nichts weiter als ein Handwerk, und Kunst hätte darin absolut nichts verloren. „Never let Art interfere with it! Art gets in the way − REALISM is what wins an audience, and STORY is what defines CONTENT!“10

Das war für Gábor Bódy die Gelegenheit, um mit einem provokanten Lächeln genau das Gegenteil zu behaupten.

Er sagte, er verstehe die Sorgen von Herrn Whitlock, aber er möchte den Advocatus Diaboli spielen und die neuen Technologien verteidigen − besonders als Werkzeuge für Künstler.

Er schwärmte von zukünftigen, digitalen Bildern, in denen jeder einzelne Bildpunkt programmierbar werden würde. Er prognostizierte, dass Hochleistungscomputer sehr schnell immer billiger werden würden und so schon sehr bald dem künstlerischen Low-Budget Bereich zu Verfügung stehen würden, auf den er große Aufgaben zukommen sah, denn das digitale Video würde eine „totale Befreiung der Phantasie“ ermöglichen.

Vor allem aber betonte er, dass er es für sehr gefährlich halte, wenn man den Inhalt eines Kunstwerkes ausschließlich als „story“ auffasse:

"Das wissen wir wohl aus der Kunst, [aus] andere[n] Kunstformen, dass ein Kunstwerk Inhalt haben kann, ohne dass es eine Geschichte erzählt. […] Die Kinematographie [ist] also eine Art Sprache und eine Art Tradition seit den alten Griechen und seit der Renaissance, als es schon kinematographische Phänomene gab, um etwas mitzuteilen mit bewegten Bildern. […] [Im] Rahmen der kinematographischen Tradition, entwickelte sich die Tradition des narrativen Filmes. Und obwohl sie die letzten 80 Jahre geherrscht hat und vielleicht in irgendeiner Form auch beherrschend bleiben wird, wäre es schon ein großer Fehler − besonders für einen Direktor der Stiftung Deutsche Kinemathek ! − wenn er […] den Begriff Kinematographie mit dem narrative Film identifizieren würde.“11

Mit diesen Ausführungen sprach er mir und anderen Freunden und Freundinnen des non-narrativen Videoclip-Formates12 aus der Seele − er hatte uns quasi für sein Produktionsseminar rekrutiert, das kurz darauf beginnen sollte.

Niemand von uns hätte sich aber im Entferntesten vorstellen können, dass er die von ihm beschworene Befreiung der Phantasie vielleicht gar nicht selbst erleben wollte. Sein Enthusiasmus war überaus ansteckend, und so waren wir extrem schockiert, als wir – nur sechs Monate später – erfuhren, daß Gábor in Budapest tot aufgefunden worden war – Suizid, so befanden die zuständigen Behörden. Bis heute sind – trotz zahlreicher Spekulationen – die genauen Umstände und möglichen Ursachen seines Todes unaufgeklärt geblieben. Dass ungarische Filmhistoriker nahelegen, eine Agententätigkeit Gábors für den ungarischen Staatssicherheitsdienst könnte hier eine Rolle gespielt haben13, macht die Angelegenheit nicht durchsichtiger; auch nicht erträglicher.

Wenn wir als Studenten allerdings noch zu Gábors Lebzeiten von seiner möglichen Geheimdiensttätigkeit gehört hätten, hätten wir das angesichts der unüberwindbaren Mauer zwischen Ost und West vermutlich für leicht entschuldbar gehalten – und uns doch nichts Realeres darunter vorstellen können14, als z.B. die Abenteuer von Lemmy Caution gegen Alpha 60.15

Ohne also irgendetwas von der möglicherweise tragischen Dimension der Geheimnisse unseres Dozenten zu ahnen, fühlten wir uns fasziniert und herausgefordert von der geheimnisvollen Aura des techno-okkultistischen Sujets, das er für unser Produktionsseminar vorschlug:

 

Zeittransgraphie

Zum Seminarbeginn im Frühjahr 1985 erschien Gábor Bódy in der dffb mit einem dicken Buch unter dem Arm sowie mit dem Mathematiklehrer und Mailboxenthusiasten Martin Potthoff als Videoexperten an seiner Seite. Das Buch war die De Occulta Philosophia. Libres III (1533) des Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim (1486–1535) – Alchemist und Ketzer sowie Vorbild für Goethes Dr. Faust (1808).

Erst vor Kurzem hatte Bódy zusammen mit Llurex (d. i. Egon Bunne) und Folkmar Hein vom Elektronischen Studio der Technischen Universität Berlin (TU) ein kurzes Video gleichen Namens erstellt, in dem er selbst als die Silhouette Agrippas vor zuckenden grünen Laserblitzen auftrat.16

Laut Gábor Bódy im Jahr 1985:

„Es geht um einen Wunsch, der schon im Bauhaus existierte, wo man schon diese Lichtorgelexperimente kannte. Es ist der Wunsch, nach dem gleichen Prinzip soundtrack und bildtrack zu formen […]Die Kombination der Möglichkeiten zwischen Tonbereich und Bildbereich durch die Elektronik und durch das timecode-system ist eine der radikalsten Erneuerungsmöglichkeiten der allgemeinen audiovisuellen Sprache. […] durch den timecode kann man bestimmte Strukturen als musikalische Strukturen, sozusagen gleichzeitig im Bild-Editsystem programmieren, und gleichzeitig auf dem Synthesizer, und dieser Code erzeugt dann einen Bildstoff und einen musikalischen oder Geräuschstoff […].“17

Nachdem Gábor Bódy uns diese Anregungen hinterlassen hatte, verließ er uns, und keiner von uns ahnte, dass wir ihn nie wiedersehen würden.

Im Schneideraum 546 machten sich Georg Maas, Stefan Schwietert, Tania Stöcklin und Anka Schmid, Thomas Schunke, Ika Schier, Egon Bunne, Friederike Anders und Manfred Hulverscheidt an die Arbeit.

Wie Martin Potthoff später schrieb, war die technische Umsetzung von Gábors Vorstellungen kein leichtes Unterfangen: „So riesig unsere Erwartungen waren, so weit entfernt waren die Systeme, die sie uns hätten erfüllen können. Die einfachsten Werkzeuge mussten erst definiert und erstellt werden […].“18

Während ein Teil der Gruppe zusammen mit Folkmar Hein und seinem Synclavier an der TU sich mehr der akustischen Seite der Versuchsanordnung zuwandte, arbeiteten die anderen mit Martin Potthoff nach einem Notationssystem der ungarischen Trickfilmerin Ágnes Háy. Es ermöglichte das Schreiben von framegenauen Partituren für zeitlichen Bewegungen zwischen den Achsen Realzeit/Rohmaterial und Effektzeit/Schnitt.

Zwischen den x/y-Koordinaten diese Systems wird ein kontinuierlicher Ablauf in Echtzeit durch eine gerade Linie mit einer 45° Steigung nach rechts oben dargestellt, eine Rückwärtsbewegung des zeitlichen Ablaufes entspricht einer Steigung von -45°, ein Zeitraffer wurde durch eine steilere, eine Zeitlupe durch eine flachere und ein freeze durch eine waagerechte Linie dargestellt. In die selben Koordinaten ließen sich auch Rösselsprünge, Stakkato-Jumpcuts und absurde Zeitdehnungen, Ellipsen und Kondensationen eintragen. Mithilfe einer einer von Martin Potthoff programmierten Software konnten diese Bewegungskizzen als „Sprungwerte“ und „Längenwerte“ dargestellt werden, aus denen nach Eingabe eines Anfangstimecodes automatisch eine Schnittliste im „CMX“-Format erzeugt werden konnte.

Dies erlaubte uns, grafisch-ornamentale Zeitachsen-Partituren in den Schnittcomputer zu übertragen, was bei Nutzung der kleinstmöglichen Zeiteinheiten von 25 Einzelbildern pro Sekunde eine komplette Pulverisierung und Re-Synthetisierung der Darstellung kontinuierlicher Abläufe ermöglichte − großartig!

Vielleicht hatte Gábor ursprünglich etwas anderes im Sinn, aber mit dieser Ansteuerung von Einzelbildern waren wir seiner Vorstellung vom Zugriff auf jeden einzelnen Bildpunkt jedenfalls so nah, wie es damals mit analogem Video eben ging. Was in Wirklichkeit natürlich noch weit entfernt war von unseren hochfliegenden Technik-Träumen: Das Erzwingen framegenauer Schnitte führte im PAL-Fernsehsystem zu Bild- und Farbwacklern an der Schnittstelle, was nur durch eine weitere Kopie durch einen Timebase-Corrector19">https://de.wikipedia.org/wiki/Time_Base_Corrector. notdürftig ausgeglichen werden konnte.

So fraß unsere Video-Zeitmaschine also zunächst vor Allem jede Menge unserer kostbaren und streng kontingentierten Schnittraumzeit. Für eine Beschäftigung mit der Filmgeschichte fanden wir deshalb nachts neben den − nicht wirklich zuverlässig automatisch schneidenden − Bandmaschinen kaum Gelegenheit. Sonst wäre uns wahrscheinlich aufgefallen, wie nah unsere Rhythmisierungen der filmischen Zeitstruktur den ekstatischen Einzelkader-Schnitt-Partituren von Dziga Vertov und seiner Frau und Cutterin Elisaweta Svilova waren.

Nach und nach erzeugten wir jedenfalls trotz aller Beschwerlichkeiten Serien ganz erstaunlicher Einzelbildschnitt-Abfolgen, die wir „Zeittransgraphien“ nannten; und je schöner wir zeitliche Abläufe auf unseren Collage-Timelines umkehren und auflösen konnten, desto sicherer waren wir, daß wir dabei waren, die Zwangslogik narrativer Kontinuität zu verlassen.

Als uns die schockierende Nachricht von Gábors Tod erreichte, verständigten wir uns darauf, den Sampler in jedem Fall fertigzustellen und ihn auch auszustellen − es fühlte sich so an, als ob wir an seinem Vermächtnis arbeiteten.20

Zu den Internationalen Filmfestspielen Berlin 1986 konnten wir dann acht kurze Videoclips zusammenstellen, deren stilistische Bandbreite von mythisch-rituell (Rondo Gravitat, 1986 von Tania Stöcklin/Anka Schmid) über John-Cage-artig strukturell (Ironland, 1986 von Llurex) bis humorvoll-dokumentarisch (10 ¾ Zoll, 1988 von Georg Maas) reichten.

Alle Beiträge des Bandes hatten gemeinsam, dass sie zwischen wahrnehmungsphysiologischer Forschung und Phi-Effekt21 angesiedelte Wirklichkeitsbeobachtungen waren, die das Vertovsche Intervall22 als Taktgeber synthetisierten.

Durch Gábors Tod waren unsere strukturalistischen und postmodernistischen Stilübungen unerwartet mit einem sehr realen Jenseits konfrontiert worden. Und ganz, wie er es sich vielleicht gewünscht hatte, waren unsere Zahlenreihen dadurch wieder zu Beschwörungsformeln wie bei Cornelius Agrippa geworden: Unsere Zeit-Umkehrungen und -Verbindungen riefen nun konkrete Vorstellungen von Zeitreise und Überwindung von Endlichkeit hervor, und es war, als ob sich dadurch ein neuer, unbekannter Raum geöffnet hätte.

 

Videolabyrinth

In seinem Diskussionsbeitrag beim Special Effects-Seminar hatte Gábor aber noch eine weitere Medienutopie erwähnt: die interaktive Bildplatte, die in den U.S.A. und auf der Ars Electronica 1984 bereits als Künstlermedium für Staunen sorgte.

„Eine andere Möglichkeit und ein total neuer Weg für Special Effects ist die interaktive Videodisc. Dazu gibt es schon einige Forschungen und Produkte. Ich weiß nicht, ob hier z.B. schon der interaktive Stadtplan von Boston, bekannt ist − der wird jetzt auf so einer interaktiven Disk hergestellt, und das bedeutet, dass man jede einzelne Straße und jedes Haus von dieser Disc aus aufrufen kann […]. Sogar in die Häuser kann man hineingehen und sagen: Der sechste Stock! […] der Zuschauer kann also für sich auswählen, welche Teile er sehen möchte. [...] Ohne Zweifel: In Zukunft steckt in dieser interaktiven Möglichkeit auch für die künstlerische Phantasie noch sehr viel drin.“23

Ein Jahr später, von 1986 bis über unser Studienende 1988 hinaus, machten wir uns daran, auch diese Vision umzusetzen − diesmal von Carl-Ludwig Rettinger (und wieder von Martin Potthoff) als Dozent begleitet, der damals Redakteur des Kleinen Fernsehspiels beim ZDF war.

So wie Gábor die Sprache der Kinematographie weiterentwickeln wollte, ging es Carl-Ludwig um die Erweiterung der Möglichkeiten des Fernsehens, das seiner Ansicht nach inhaltlich trotz zahlreicher neuer Sender nur weiter alten Wein durch neue Schläuche pumpte.

In der interaktiven Laserdisk, die damals in den USA zu einem populären Unterhaltungsmedium heranzuwachsen schien, sah er eine Alternative: Hier gab es die Möglichkeit, den Zuschauer als Mitspieler direkt in die Handlung eingreifen zu lassen. Genau das sollte auch das Seminar leisten.

„Besonderes Augenmerk gilt […] der dramaturgischen Balance zwischen filmischen Spannungselementen und spielerischen Zugriffsmöglichkeiten. Auch die Identifikation des Zuschauers mit den Protagonisten der Filmhandlung stellt sich bei interaktiven Systemen völlig neu, ist doch der Zuschauer zugleich Mitspieler und Coregisseur.“24

Was Carl-Ludwig beim Schreiben seiner Pressemitteilung nicht ahnte, war, dass die Laserbildplatte − 1986 noch auf der Ars Electronica beworben − in Deutschland nie Fuß fassen sollte, und dass erst heute, 30 Jahre später, mit HTML5 und Quicktime-Video (oder auch mit Spielekonsole und 3D-Brille), die technischen Mittel etabliert sind, die eine angemessene Umsetzung erlauben würden.

So kam es aber, dass sich damals kein Sponsor für Bildplattenprojekte mehr finden ließ. Unsere drei „Spiel-Filme“ des Videolabyrinth (1987-88), die in den Jahren 1987 bis 1991 auf Festivals und Ausstellungen in England, Istanbul und Japan gezeigt wurden, liefen deshalb überall nur als Video-8-Kopie.

Das Produkt hieß Videolabyrinth und enthielt drei paradoxe Choose Your Own Adventure-Abenteuer: Terra Z von Ilka Lauchstädt, Mutabor 3 von Friederike Anders und Oberschenkelhals- und Beinbruch von Mari Cantu.

Als 30- bis 60-minütiger Szenenkatalog waren die drei Filme auf je einer Video-8-Kassette gespeichert, die über ein Steuerprogramm vom PC aus angesteuert werden konnten. Sie erlaubten Multiple-Choice-Auswahlen zwischen verschiedenen Versionen der Handlung und konnten bei jedem Spieldurchlauf ein unterschiedliches Ende haben. Dadurch luden sie dazu ein, den Film gleich noch einmal aufs Neue zu probieren – der Inhalt war durch die Auswahlen der Zuschauer veränderbar.

Ein Kritiker beschrieb die Erfahrung mit diesen „Spiel-Filmen“ wie folgt:

“Berlin’s Videolabyrinth filmmakers – Rike Anders, Ilka Lauchstädt and Mari Cantu − [...] have produced an odd and intriguing hybrid: feature length videos reminiscent of arcade video games in the way they call on the viewer to control the action, but with a content that is, in the manner of Eugene Ionesco, at once satiric and surreal. [...] What’s most exciting about these videos is the concept of narrative that´s employed − not the conventional timeline moving from beginning to middle to end, but, rather, a net of interconnecting possibilities.”25

Je nach Auswahl des Spielers steuerte der IBM XT PC den angeschlossenen Videorekorder auf die entsprechende Bandstelle. Im ungünstigsten Fall konnte der Spielablauf dadurch für Minuten unterbrochen werden, in denen nur das Sirren des Bandes beim Umspulen zu hören war.

Es erwies sich aber, dass jeder Spieldurchlauf ohnehin eine individuelle Besucherbetreuung benötigte, weil jemand per Hand zwischen den drei Programmen hin- und herschalten musste und Bänder gewechselt und vor Spielbeginn auf Startposition gespult werden mussten.

So begannen wir damit, uns in den Wartepausen mit unserem Publikum zu unterhalten. Und wir optimierten das, was man heute User Experience (UX) nennt, also die „Nutzererfahrung“: Wir fügten Pausengrafiken ein, in denen wir weitere Multiple-Choice-Fragen stellten; außerdem eine „automatische“ Auswertung des Spielverhaltens im Stil von Persönlichkeitstest, wie man sie damals in Frauenzeitschriften fand: „Sind Sie Typ A, B oder C?“ Die Typenbeschreibungen waren auch mit Ratschlägen und Empfehlungen für die Zuschauer/Spieler versehen: „Gehen Sie besser nach Hause und trinken Sie ein warmes Glas Milch“ (in Oshubb), oder „So werden Sie den Eingang zum Zeittunnel nie finden! Verbringen Sie mehr Zeit in der Shoppingmall“ (in Mutabor 3) . Auf jeden Fall wurde in allen drei Spielen regelwidriges Verhalten belohnt, und das von uns verwendete Punktesystem war gleichzeitig auch Gegenstand unseres Spottes.

Trotz unserer ironischen Distanz praktizierten wir mit unserer Auswertung von Zuschauerverhalten aber einen spielerischen Einstieg in die Erfassung von Metadaten, die wir uns − als Gegnerinnen von Volkszählung und Datenüberwachung − eigentlich so nicht gewünscht hätten.

Doch paradoxerweise war sie für eine wahrhaft interaktive Benutzererfahrung unerlässlich: Gerade die „freie“ Entscheidung des Spielers über die Fortsetzung der Geschichte befriedigte nur dann, wenn im Hintergrund schon eine Menge Nutzerdaten ausgewertet worden waren, die Aufschluss über das bisherige Spielverhalten gaben, sodass schon gesehene Szenen ausgeschlossen und nur die interessantesten Folgeszenen vorgeschlagen werden konnten.

Viele von unseren Mitstudenten fanden unser Treiben damals ziemlich suspekt. Sie warfen uns auch gerne vor, mit unserer bunten Video- und Computertechnik bedenkenlos ein Abfallprodukt von Ronald Reagans Strategic Defense Initiative (auch „Star Wars-Programm“ genannt) zu nutzen. Beruhte nicht der von uns favorisierte Laserbildplattenspieler auf der gleichen Technologie wie die Laserkanonen, die Reagan im Weltraum in Stellung bringen wollte26? Und kamen die leistungsfähigen Rechner, die wir brauchten, nicht nur deswegen auf den Markt, weil sie für das SDI entwickelt worden waren?

Wir hielten frei nach Friedrich Kittler dagegen, daß sowieso alle Medien sich dem Krieg verdanken, und konterten, nicht weniger polemisch, dass unsere Kommilitonen sich in ihren linearen Filmen einer doktrinären Erzähllogik unterordnen würden, die die Zuschauer dumm und unfrei hielt.

Heute kommt es mir so vor, als ob wir dabei gründlich aneinander vorbeigeredet haben.

Denn einerseits praktizierten wir mit unseren strukturalistischen Schnittexperimenten eine Zeitachsenmanipulation, wie sie der Philosoph und Medientheoretiker Friedrich Kittler (1943–2011) 1993 beschrieb27, und wie sie auch in der klassischen Tradition des Experimentalfilms begründet lag und dadurch eigentlich sehr weit weg von einer bunten MTV-Ästhetik war, der unsere Arbeiten bei oberflächlicher Betrachtung zu ähneln schienen.

Andererseits trugen unsere scherzhaften Experimente zum User-Tracking, von heute aus betrachtet, tatsächlich leicht perfide Züge, die weit in die überwachte, vernetzte Zukunft wiesen.

Wenn mich heute aber ein Ex-Kommilitone und damaliger Video-Skeptiker angesichts der immer krasseren Ausnutzung unserer Userdaten im Internet bei gleichzeitiger Monopolisierung der Informations- und Unterhaltungskanäle plötzlich fast bewundernd fragt, ob wir das damals alles schon vorausgesehen hätten, muss ich trotzdem verneinen:

Wir haben nur nonlineares Erzählen und interaktive Dramaturgien erforscht und praktiziert, fast 30 Jahre bevor sie mit Cookies, Universal User–IDs und Suchmaschinenoptimierungen zum täglichen, durchkommerzialisierten Online-Instrumentarium wurden.

Und natürlich haben wir uns dabei von einem echten Advocatus Diaboli inspirieren lassen, dessen „Meister“ bekanntlich stets das Böse will – aber, statt das Gute zu schaffen28, heute wahrscheinlich im Hauptquartier der NSA zu Hause ist.

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Ich danke Madeleine Bernstorff, Gusztáv Hámos und Martin Potthoff für ihre Unterstützung beim Entstehen dieses Textes.

  • 1. Der audiovisuelle Rohstoff ist das von seinem ursprünglichen Zusammenhang befreite Bild/Ton-Element, und als solches steht es der Weiterverarbeitung [...] zur Verfügung“, in: Christoph Dreher: Scheiße zu Gold. Zu einer Ökologie des Audiovisuellen. In: Gábor Bódy/Veruschka Bódy (Hg.): Video in Kunst und Alltag. Vom kommerziellen zum kulturellen Videoclip. Köln 1986, S. 15.
  • 2. Infermental war das erste auf Videokassetten herausgebrachte internationale Videokunst–Magazin. Initiiert wurde es von Gábor Bódy und Astrid Heibach. Die erste Ausgabe erschien 1980 unter dem Titel „Infermental Berlin I“.
  • 3. „[...] Gusztáv Hámos gehört zur sogenannten „Berliner Schule“ [nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Filmbewegung, die in den 1990er Jahren ebenfalls der dffb zugeschrieben wurde], wie auch die Vidéasten Ed Cantu, [Katalin] Pazmandy, [Rolf S.] Wolkenstein, [Monika] Funke-Stern etc. Gemeinsam ist ihnen das Spiel mit den Codes von Kino und Fernsehen − in einer Form, die die Clip-Ästhetik auf die Spitze treibt: Die Aktion auf ihre ‚starken‘ Momente zu reduzieren, Nebenrollen zu vervielfältigen, mit der Heterogenität des Dekors spielen, [...] Vermischung verschiedener Repräsentationsebenen, mit sehr kurzen, dichten Einstellungen arbeiten − alles im Dienst einer Handlung, die gleichzeitig parodistisch, hohl und mechanisch daherkommt. Und vielleicht handelt es sich hierbei weniger um eine Parodie kinematografischer Codes, als vielmehr um eine Parodie des Clips, also eine Parodie der Parodie. Für die Vidéasten der Berliner Schule sind die Bilder des Kinos bereits vollständig im Fernsehen aufgegangen.“ Colette Dubois/Marc-Emmanuel Mélon/Philippe Dubois: Cinéma et vidéo: interpénétrations. In: Comunications. Volume 48. Numéro 48. 1988. S. 135. URL: http://www.persee.fr/web/revues/home/prescript/article/comm_0588-8018_19..., abgerufen am 28.07.2015. Übersetzung: Madeleine Bernstorff.
  • 4. Eine Titelliste der gesuchten Videoseminararbeiten und Videoabschlußfilme wurde 2015 von Gusztáv Hámos begonnen.
  • 5. „Der elektrische Strom ... mag als Beispiel eines technischen Ausdrucksmittels dienen, das der allgemeinen Deterritorialisierung der Ströme im Kapitalismus entspricht. ... Folglich sind alle von elektronischen und digitalen Technologien hergestellten Bilder Transformationen und Kombinationen (Kompositionen) von Intensitäten, Kräften, Feldern, die sich im Strom abspielen. Eektro-magnetischer Strom im Falle von Video, optischer Strom im Falle des Telematischen, algorithmischer Strom beim Computer. Der Übergang vom ersteren zum letzteren kann als eine zunehmend forcierte Deterritorialisierung definiert werden.“ Gilles Deleuze, Felix Guattari,:
Anti-Ödipus - Kapitalismus und Schizophrenie I, Suhrkamp Tachenbuch, 1977, S. 310. Und: „ Die Propheten mögen das Nomadenleben verdammen; die religiöse Kriegsmaschine mag die Migrationsbewegung und das Ideal des Seßhaftwerdens bevorzugen; (...) Trotz allem, wenn die Religion sich als Kriegsmaschine konstituiert, wird eine ungeheure Ladung von Nomadentum oder absoluter Deterritorialisierung mobilisiert und freigesetzt, der Migrant wird um einen Nomaden vermehrt, der ihn begleitet (...) und schließlich kehrt sich der Traum vom absoluten Staat gegen die Staatsform selber.“ Gilles Deleuze, Felix Guattari, Kapitalismus und Schizophrenie – Tausend Plateaus, Merve Verlag Berlin, 1992, S. 528.
  • 6. „Die telematische Gesellschaft wird also den Begriff „Schaffen“ nicht etwa abschaffen, sondern ihm im Gegenteil erst seine eigentliche Bedeutung verleihen. [In ihr] werden alle Menschen am kreativen Prozess beteiligt sein [...] und Informationen erzeugen, von deren Reichtum wir vorläufig noch keine Ahnung haben. Diese Informationen werden allerdings keine Werke mehr sein, keine Objekte, sondern substanzlose Botschaften, Herausforderungen an alle Menschen, daraus immer neue Informationen herzustellen.“ Vilém Flusser: Ins Universum der technischen Bilder. Göttingen 1989, S. 88.
  • 7. „Der Computer stellt uns die Möglichkeit zur Verfügung, eine unübersichtliche Reihe von neuen Welten zu verwirklichen. [...] Es ist doch ein Unsinn, sich nicht der neuen Techniken der Kreativität zu bedienen, die Kreativität ja sozusagen produzieren.“ In: Alle Revolutionen sind technische Revolutionen. Vilém Flusser im Gespräch mit Florian Rötzer. In: Ästhetik des Immateriellen? Zum Verhältnis von Kunst und Neuen Technologien − Teil 1. Kunstforum International. Bd. 97. November/Dezember 1988, S. 127, 131.
  • 8. Videodokumentation des Special Effects-Seminars im Februar 1985 an der dffb. In: Deutsche Kinemathek Archivnummern 33, 34, 35, 185; hier besonders Archivnummer 35: „Special Effects, Whitlock: How to make matte-paintings“
  • 9. „Bódy Gábor (1946–1985) is one of the most outstanding and unusual personalities from the Hungarian and European cinema of the 70s and 80s – multi-sided, fascinating and dazzling. He belongs to the group of radical and most daring innovators of our time.“ In: Ulrich Gregor: A source of interesting discoveries. In: http://www.bodygabor.hu/bg_rol/?id=114, abgerufen am 19.06.2015.
  • 10. Albert Whitlock 1985 während des Special Effects-Seminars an der dffb. Videodokumentation des Special Effects-Seminar im Februar 1985 an der dffb. In: Deutsche Kinemathek , Archivnummer 35 (Rohmaterial), 185 (Zusammenschnitt)
  • 11. Gábor Bódy 1985 während des Special Effects-Seminar an der dffb. In: „Spezial Effekt Seminar – dffb 1985“, Archivnummer 185 2/2
  • 12. Der Ausdruck „Clip“ für kurze, künstlerische Videofilme war eine Abwandlung der damals auf MTV beliebten Musik-„Clips“ und wurde von Bazon Brock als „cultural clip“ spezifiziert. Vgl.: Veruschka Bódy/Gábor Bódy: Video in Kunst und Alltag. Vom kommerziellen zum kulturellen Videoclip. Berlin 1986, S. 9.
  • 13. Außer in den beiden nur auf ungarisch erschienenen Büchern Fedöneve: "szocializmus". Müvèszek, ügymökök, titkoszolgák (Deckname "Sozialismus". Künstler, Agenten, Geheimdienstler, András Gervai, Jelenkor, Pécs, 2010 (2. Verb. Ausg.), S. 131, und Titkos írás – Állambiztonsági szolgálat és irodalmi élet, 1956–1990, Tamás Szőnyei, 2012, wird auch in einem auf deutsch erschienenen, sehr lesenswerten Essay von László Beke (Gábor Bódy. Netzwerker, in: Ausstellungskatalog zu Der Stand der Bilder / Die Medienpioniere Zbigniew Rybczynski und Gábor Bódy, hrsg. von Siegfried Zielinski und Peter Weibel, 2011) über die Kunst und die Agententätigkeit Gábor Bódys berichtet.
  • 14. Dass allerdings ein kultureller Ost-West-Dialog, wie Gábor und Heinz Rathsack ihn schätzten, in Zeiten des fortdauernden Kalten Krieges irgendeinen Preis haben musste, erscheint mir auch heute noch mehr als naheliegend. West-Berlin als Drehscheibe des kulturellen Kalten Krieges wird detaillreich beschrieben, z.B. in Frances Stonor Saunders „Who paid the Piper, dt.: „Wer die Zeche zahlt – der CIA und die Kultur im Kalten Krieg“. Gábor Bódy selbst zog es vor – mitten in der Zeit seiner möglichen Agententätigkeit –, sich darüber lustig zu machen: Zusammen mit dem westdeutschen Videokünstler Marcel Odenbach hatten sie sich in ihrem gemeinsamen, dreiminütigen Video „Unterhaltung zwischen Ost und West“ von 1978 nebeneinandersitzend wie Talkshowgäste mit Namensschildern ausstaffiert und einen Dialog dargestellt, den man nicht verstehen konnte, der aber Schaum vor den Mündern erzeugte.
  • 15. Lemmy Caution gegen Alpha 60 (Alphaville, une étrange aventure de Lemmy Caution), Science-Fiction-Film von Jean Luc Godard, 1965.
  • 16. De Occulta Philosophia (DE 1984). „... inspired by De Occulta Philosophia, a magic manual written by Agrippa von Nettesheim, the 15th century occult adept. Bódy depicts an outline of the relations of the human body which is combined with elliptical light signals that pulsate and are driven by synthetic bursts of sound. A figure appears. The alchemist who was once von Nettesheim, now finds his expression in and through Bódy.“ http://www.li-ma.nl/site/catalogue/art/gabor-body/philo-mytho-lyric-clips/818
  • 17. Gábor Bódy 1985 während des Special Effects-Seminar an der dffb. In: „Spezial Effekt Seminar – dffb 1985“, Capturing vom 9.9.2015, von Archivnr. 33/ 6/6 tc: 5:38:00 (Rohmaterial), und von Archivnr. 185 2/2, tc: 02:35:12 (Mastercut Bluebox)
  • 18. Martin Potthoff. In: zeit-trans-graphie - der TEXT-SAMPLER zum Videoband. Programmbroschüre anlässlich der Vorführung des Films 1986 im Internationalen Forum des Jungen Films auf der Berlinale.
  • 19. Der Time Base Corrector war der eigentliche Vorbote des digitalen Zeitalters im Schnittraum: Während die Preview-Funktion der elektronischen Schnittsteuerung noch auf einer analogen Umschaltung zwischen Zuspieler- und Recorder-Wiedergabe beruhte, besaß der TBC erstmals die Funktion, ganze Zeilen des Videobildes – insgesamt bis zu zwei Halbbilder! – digital zu speichern und in Echtzeit zur Ausgabe bereit zu stellen. Siehe auch: 20. Wie sich Martin Potthoff erinnert, war die Fertigstellung des Seminars nach Gábors Tod nur durch die Fürsprache von Direktor Heinz Rathsack möglich. Während die damalige Studienleitung das Projekt für beendet erklären wollte, sprach sich Rathsack dafür aus, die Studien-Ergebnisse zu einem vorzeigbaren Produkt zu machen, und stellte auch die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung – sogar die Kosten für einen Flug zu Gábor Bódys Beerdigung übernahm er.
  • 21. Der Phi-Effekt, auch Phi-Phänomen oder Schein-Bewegung, bezeichnet die durch die Trägheit der Wahrnehmung im Gehirn konstruierte Illusion einer Bewegung, die durch stroboskopische Abfolgen von räumlich versetzten Lichtblitzen oder Standbildern erzeugt wird.
  • 22. In Vertovs Forschung über die filmische Grammatik kommt der Lücke, also dem Intervall zwischen den einzelnen Bildeindrücken, die größte Bedeutung für die Montagewirkung zu. Da er die Wirksamkeit dieser Auslassung so überaus schätzte, benannte er sogar einen Festsaal in Moskau nach ihr: Seinen Vortrag „Kammer Kino Phrase“ wollte er der „Menschheit der Kinoki“ im „Saal der Intervalle“ halten.
  • 23. Gábor Bódy 1985 während des Special Effects-Seminar an der dffb. In: „Spezial Effekt Seminar – dffb 1985“, Capturing vom 9.9.2015, von Archivnr. 33/ 5/6 tc: 00:09:04 (Rohmaterial), und von Archivnr. 185 2/2, tc: 00:05:34 (Mastercut Bluebox)
  • 24. Carl Ludwig Rettinger: Pressetext zum Videolabyrinth von 1987. URL: https://mutabor3.wordpress.com/2012/09/21/forschungsprojekt-interaktive-..., abgerufen am 28.07.2015.
  • 25. Garth Pritchard: Viewerismo. In: Elle (Modezeitschrift). Mai 1990, S. 86.
  • 26. http://www.wasistwas.de/archiv-wissenschaft-details/s-d-i-star-wars-in-der-realen-welt.html
  • 27. Zeitachsenmanipulation unter Bedingungen des Schriftmonopols schloss alles aus, was (…) das Rauschen des Realen heissen darf. Man konnte zwar das Wort LEBEN umdrehen, um logischerweise NEBEL zu erhalten, aber nicht die Sache Leben, von der Sache Nebel ganz zu schweigen. (…) Diese unumkehrbare Entropie auf der Zeitachse sorgt (…) jedoch gleichzeitig dafür, daß Zeitachsenmanipulationen überhaupt als solche kenntlich sind. Im Fall des geschriebenen Wortes NEBEL kommt ja niemand außer Kabbalisten und Geheimdienstleuten auf den Gedanken, es probeweise von hinten nach vorne zu lesen, also als LEBEN. Bei jenem seit Démolition d´une Mur von Georges Méliès so beliebten Filmtrick dagegen, der den Abbruch einer Mauer aufnahm, um ihn als zeitverkehrten Film vorzuführen, merkt jedes Auge die Manipuliertheit der Wiedergabezeit, einfach weil es in realer Zeit das Wunder nicht gibt, daß zersprungene und umgestürzte Mauersteine wieder zur mühsam geschaffenen Ordnung zurückfinden. Schlimmer noch: In Méliès zweitem Zeitachsenexperiment, der Charcuterie mecanique, verwandelte sich eine fertige Wurst, wie um den Tod zu verspotten, wieder zurück in das Schwein, dessen Schlachtung ja Sache von Metzgern ist. Und die Auferstehung des Fleisches ward Anschauung. Friedrich Kittler: Real Time Analysis. Time Axis Manipulation, in: Draculas Vermächtnis. Technische Schriften. Leipzig 1993, S. 185.
  • 28. FAUST:... Nun gut, wer bist Du denn? MEPHISTOPHELES: Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will, und stets das Gute schafft, aus: Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Eine Tragödie. Leipzig 1808, in: Gesammelte Werke in sieben Bänden, Hrsg.: Bernt von Heiseler im Bertelsmann Lesering, Gütersloh, 1960, Dritter Band, S. 43.

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