transmediale 2018
face value
Things are what they are—but could they be different? Die transmediale 2018 face value widmet sich einer Bestandsaufnahme, einer Erfassung der Umstände unserer Zeit in ihrem Kern – um zu verstehen, wie man sie verändern könnte. Im Vordergrund steht der Versuch, diejenigen Werte und Wertschöpfungsprozesse offenzulegen, die zu den extremen politischen, ökonomischen und kulturellen Gräben unserer Gegenwart beigetragen haben. Dabei möchte das Festival neue Möglichkeiten ausloten, sich der alarmierenden Entwicklung eines digitalen Populismus, der Radikalisierung der Netzkultur und neuen Kulturkämpfen zu widersetzen und diese zu dekonstruieren.
Durch reaktionäre und algorithmisch gelenkte Kommunikationspraxen erscheint es im öffentlichen Diskurs mittlerweile normal, Dinge für bare Münze zu nehmen [taking things at face value]. Mit der kommenden Festivalausgabe möchte die transmediale diese Tendenz hinterfragen und den Blick auf tiefer liegende, weniger offensichtliche Probleme richten, die sich durch alle Bereiche der Gesellschaft ziehen. Dazu zählen bei Veranstaltungen zu digitaler Kultur kaum diskutierte Machtdifferenzen wie Ungleichheitsverhältnisse von class, gender und race, die auch in technologische Systeme implementiert werden. Tatsächlich scheint die (post)digitale Kultur heute Hass schürenden, rassistischen und neokolonialen Mächte eher einen fruchtbaren Nährboden zu bieten, als emanzipatorische Alternativen hervorzubringen. Das sollte jedoch kein Grund sein, sich nach einer mythischen Vergangenheit zurückzusehnen, in der angeblich das Internet frei und die digitale Kreativität ungebremst waren. Vielmehr ist eine Öffnung gegenüber aufrüttelnden, aber auch einenden kulturellen Praxen und mutigem spekulativen Denken vonnöten – ebenso wie eine selbstkritische Haltung und ein Bewusstsein dafür, dass nichts jemals so simpel ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Auch Kulturveranstaltungen wie die transmediale beziehen ihre Einflüsse aus unterschiedlichen politischen Vorstellungswelten und Gemeinschaften, die zwar Widerstand leisten, aber zugleich eine Mitschuld an den Entwicklungen tragen, welche es so dringend aufzuhalten gilt.
In Anbetracht dieser aktuellen Herausforderungen und Paradoxien stellt sich die Frage, wie Künstler_innen, Kulturschaffende und Theoretiker_innen ihre eigenen Wertesysteme reflektieren – facing values – und darüber hinaus auf die gegenwärtige Tendenz reagieren können, Dinge in erster Linie nach dem äußeren Anschein zu beurteilen – taking things at face value. Wie lassen sich Vorurteile und ausbeuterische Mechanismen als das benennen, was sie sind, um so neue Wege des Widerstands, der Dekonstruktion und der Überwindung zu entwerfen? Wie gewohnt bietet das Programm eine Vielzahl von kuratorischen Formaten und Arten des Wissensaustauschs, die einen zweifachen Ansatz verfolgen: Wert und Werte zu befragen und kulturellen Wandel vor dem Hintergrund von Ökonomisierung und sich verändernden Wertekatalogen zu betrachten. Das kuratorische Konzept bringt Formate und Teilnehmer_innen aus allen Teilen des Programms in transversalen Kombinationen zusammen.
transmediale 2018 means transmediale 2018 does not mean transmediale 2018 means transmediale 2018
Kristoffer Gansing (Künstlerischer Leiter), Daphne Dragona (Kuratorin Konferenzprogramm), Inga Seidler (Kuratorin Ausstellungsprogramm) & Florian Wüst (Kurator Film- & Video-Programm)
Website
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Konferenzprogramm
Film- & Videoprogramm
Festivalausstellung Territories of Complicity
und der Gastausstellung A Becoming Resemblance
Teilnehmer_innen
Veranstaltungsdokumentation
Festival-Partner
Festival-Team
Ausstellungsarchitektur 2018 – Territories of Complicity
Vom Studiolo zum Freihafen
von raumlaborberlin
Mit der Ausstellungsarchitektur für Territories of Complicity thematisiert raumlaborberlin die Entwicklung des physischen Raums, in dem Kunstwerke über Jahrhunderte hinweg gesammelt wurden. Seit der frühen Neuzeit hatte sich der Kunstbegriff in Europa verändert; mit dem Aufkommen der neuen Klasse des Bürgertums erhielten Kunstwerke neben ihrem religiösen und repräsentationalen Zweck einen neuen Wert.
Geschlossenen Kabinette oder Studiolos und private Studienorte in edlen Palästen wurden zu den ersten Sammlerräumen der neuen Ära. In der späteren Entwicklung wurden diese Räume als „Wunderkammern“ und „Kunstkabinette“ zu Vorläufern zeitgenössischer Museen. Die enzyklopädisch gesammelten Gegenstände wurden dort einem kleinen Kreis präsentiert und demonstrierten die Macht und das Kulturverständnis der Besitzer_innen. Die Sammlungen wuchsen in erster Linie mit dem Ziel, Wissenschaftler_innen und Forscher_innen für Studienzwecke zu dienen; später entwickelten sie sich zu Museen, die auch einem breiteren Publikum freien Zugang zu Kunst und Kultur ermöglichten.
Gleichzeitig wurden Kunstobjekte in den letzten Jahrhunderten zunehmend wie Waren gesammelt und permanent auf dem Markt gehandelt, wo ihr ökonomischer Wert – wie bei anderen Vermögenswerten – immer wieder Schwankungen unterliegt. Als Vermögenswert muss das Kunstwerk geschützt werden, um seinen Wert zu erhalten. Es auszustellen wird bereits als Konsum angesehen. Der Transport ist immer riskant und selbst die Lichteinwirkung kann schädlich sein. Sichere Lagerung ist deshalb notwendig: am besten in Ländern, in den Waren zoll- und steuerfrei bewegt werden können. Mit Freihäfen sind Sammler_innen wieder auf die Nutzung intimer Räume angewiesen, um ihre kostbaren Güter zu bewahren – so intim, dass nicht einmal sie selbst direkten Zugang zu den Kunstwerken haben.
Die Ausstellungshalle im Haus der Kulturen der Welt wird von einem massiven Objekt eingenommen: Eine Plattform, die einem Containerschiff gleicht, umfasst acht Containerräume, in denen zwölf Künstler_innen ausstellen, sowie einen Bühnenbereich für Präsentationen und Diskussionen. Die Kunstwerke werden wie einst in Kabinetten ausgestellt, wie die gesammelten Wertgegenstände der „Wunderkammer“. Allerdings sind sie durch einen Überbau organisiert, der wie ein Teil eines Lagerhallenkorridors scheint, zu dessen Seiten Stellräume liegen. Das Konstrukt besteht aus vorgefertigten Einzelteilen: Bühnenkomponenten, deren klare, ausgeprägte Raster normalerweise dazu dienen, horizontale Flächen für Events zu schaffen, werden hier neu interpretiert, um vertikale Wände zu errichten. Deren Modularität sowie das scharfe und glänzende Erscheinungsbild ihrer Aluminiumrahmen stellen einen Bezug zur ökonomischen und räumlichen Rationalität und Optimierung her, welche das Fundament des Systems bilden und auf die Materialität von Freihafenanlagen verweisen. Zugleich erinnern der warme Braunton der Elemente und die geschlossenen Räume an die Intimität der Renaissance-Studiolos, die sich durch eine hölzerne Vertäfelung und Möblierung auszeichneten.
Impressions
Presseerklärungen
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22.01.2018
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10.01.2018
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07.12.2017
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16.10.2017