transmediale Unformatted: A (pre-)History of Thirty Years or More

Essay
13.02.2017

transmediale Unformatted: A (pre-)History of Thirty Years or More

Two people searching through archival box of polaroids from past transmediale festivals.
Archived polaroids

Physische Zusammentreffen mit digitaler Kultur wird "weder von sogenannten sozialen Medien noch durch Post-Internet-Art ersetzt werden" argumentiert Dieter Daniels in diesem Essay, welcher anlässlich dem 30-jährigen Jubiläum der transmediale verfasst wurde. Daniels geht zurück bis zu den 60er Jahren um zu erklären warum ein Festivalformat, welches der Formalisierung widersteht, noch immer relevant ist.

 

Das „Festivalformat“: eine Reaktion auf ein institutionelles Dilemma

Frühe Medienkunst (einschließlich des experimentellen Films, Expanded Cinema, Video-, Klang- und Computerkunst) begann in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren als Institutionenkritik: gegen die Kommodifizierung von Kunst (Kunstmarkt, Galerien), gegen das Mainstream-Kino (Hollywood) und gegen die Manipulation der Massenmedien (insbesondere das Fernsehen). Ungefähr zur gleichen Zeit wurden elektronische Medien zugänglicher für Künstler_innen und Do-It-Yourself-Praktizierende. Ergebnis war ein institutionelles Dilemma: Immer mehr Werke wurden produziert, es gab aber keinen Raum, um sie zu präsentieren. Als Alternative zur festen Institution entstand das „Festivalformat“, um Arbeiten zu zeigen, sich zu treffen, auszutauschen und zu netzwerken (zum Teil nach dem Modell der Experimentalfilm-/Performance- oder Fluxus-Festivals der 1960er Jahre). Die Ära der Video- und Medienkunstfestivals erreichte ihren Höhepunkt in den 1980er Jahren, in denen fast jedes Jahr ein neues Festival aufkam. Einige begannen als einmalige Veranstaltungen und wurden danach jährlich oder zweijährlich ausgerichtet, wie die Ars Electronica Linz 1979 oder die Videonale Bonn 1984.

 

Das Zusammentreffen von Medientheorie und Medienkunst: „avant la lettre“ im Berlin der 1970er Jahre

Zwei Ereignisse in Berlin im Jahr 1971 bringen uns der Vorgeschichte der transmediale näher: An der Technischen Universität beginnt Friedrich Knilli, einen U-matic-Videorekorder als technische Unterstützung dessen zu nutzen, was später Medientheorie genannt werden wird. Zum ersten Mal ist es möglich, die Vergänglichkeit des Objekts auf einem Speichermedium zu fixieren, und die deutsche Medienforschung macht ihren Anfang mit der „ideologischen Kritik“ der Fernsehserien, die Knilli auf Video aufzeichnet. 1971 ist zudem das Gründungsjahr des Videoforums des Neuen Berliner Kunstvereins (n.b.k.) – einer zu jener Zeit einzigartigen Initiative, die Videokunst zugänglicher machte, als es noch keine ständigen öffentlichen Sammlungen gab (und auch kein YouTube, Vimeo oder UbuWeb). Die eigentliche Vorgeschichte der transmediale beginnt sechs Jahre später im Jahr 1977 und verbindet Theorie und Praxis in der Gründung der MedienOperative Berlin e.V., einem Zentrum für unabhängige Videoarbeit. Mit eigenen Produktionsmöglichkeiten ausgestattet und als Kollektiv organisiert, behandelte die Gruppe vor allem gesellschaftliche und kulturelle Themen und nutzte Video als Medium der Gegenöffentlichkeit.

 

Der lange Weg zum ersten Berliner „Videofestival“

Die Internationalen Filmfestspiele Berlin (Berlinale), 1951 auf Initiative der USA als „Schaufenster der freien Welt“ in der geteilten Stadt gegründet, liefen bis Ende der 1960er Jahre reibungslos. Anderswo fand schon vor 1968 eine Rebellion gegen die „Gesellschaft des Spektakels“ und die Kommodifizierung des Kinos statt – erst bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes mit Jean-Luc Godard, Louis Malle und François Truffaut, bald gefolgt von Bernardo Bertolucci und Pier Paolo Pasolini bei den Filmfestspielen in Venedig. Die Rebellion erreichte Berlin 1970, als der Vietnamkriegs-kritische Film o.k. von Michael Verhoeven zensiert wurde, was 1971 zum sogenannten „Gegenfestival“ führte, das mittlerweile als das Internationale Forum des Jungen Films in die Berlinale integriert wurde. Seit 1973 zeigte dieses „Filmforum“ (eine zu jener Zeit beliebte Bezeichnung, was sich im gleichnamigen Videoforum des n.b.k. zeigt, das im selben Jahr gegründet wurde) auch Videobeiträge. Als Bestandteil dieses Forums präsentierte die MedienOperative 1988 ihr eigenes Programm als VideoFilmFest, das ab 1989 unter dem Namen VideoFest zur regelmäßigen, alleinstehenden Veranstaltung wurde.

Wenn die Kinorebellion von 1968 spät in Berlin ankam, so verzögerte sich auch die Idee eines „Videofestivals“, die sich in anderen europäischen Städten wie Locarno, Den Haag, Montbéliard, Bonn, Marl, Osnabrück und Rotterdam zu Beginn der 1980er Jahre bereits etabliert hatte. Doch wegen dieses Timings fiel die Idee in Berlin auf fruchtbaren Boden: nur ein Jahr bevor die Friedliche Revolution die Berliner Mauer zum Einsturz brachte und genau zur richtigen Zeit, um Teil der digitalen Revolution zu werden. Diese zwei zeitgleichen Revolutionen – die erste gewonnen, aber zerronnen, die zweite verloren, aber noch im Gange – sind Teil des Erbes der transmediale. Seither ist das Festival zu einer selbstständigen Institution geworden, doch es hat auch versucht, durch Verschiebungen von Namen und Konzepten „immer flüchtig“ zu bleiben; vom VideoFest (1989) über transmedia (1997) zu transmediale (1998) und seit 2001 mit einem jährlich wechselnden Thema (ein Konzept, das von Andreas Broeckmann eingeführt wurde).

 

Das „Festivalformat“ unformatiert

Doch warum benötigen wir noch ein Festival, wenn Medienkunst allgegenwärtig und digitale Kultur scheinbar unvermeidlich geworden ist? Ein solches Forum der Präsentation und des Austauschs in Echtzeit und realem Raum wird weder von sogenannten sozialen Medien noch durch Post-Internet-Art ersetzt werden. Ein Grund dafür ist das Format des Festivals – oder vielmehr die Tatsache, dass dieses eben kein Format hat. Folglich ist es immer noch – die transmediale 2012 zitierend – „in/kompatibel“ mit der Kommodifizierung von Medienkunst und digitaler Kultur; das „Festivalformat“ ist genau deswegen noch aktuell, weil es sich der abschließenden „Formatierung“ widersetzt und sich ständig umformatiert.

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