transmediale/conversationpiece

08.01.2016

transmediale/conversationpiece

An inertia of conversation seems to be the result of today's global competition between states, corporations, networks, and individuals to create the contexts and frameworks for conversations. This competition is the process by which matters of urgent global concern are turned into pre-emptied conversations: the war on terror, economic growth, the refugee crisis, climate change, and big data to name just a few diverse yet interconnected ones. transmediale has dealt with these topics and many more in the past, but this year we believe it is time to turn a reflective gaze on the medium of conversation as such and rethink the format of the post-digital culture event.

Everybody's talking at me
I don't hear a word they're saying
Only the echoes of my mind

Es stimmt tatsächlich: „Everybody is talking“, und es geht einem wahrscheinlich wie dem Protagonisten dieses ikonischen Songs aus den 1960er Jahren – statt Worten hört man nur das Echo der eigenen Stimme durchs Netz hallen. Als Folge des globalen Wettbewerbs zwischen Staaten, Unternehmen, Netzwerken und Individuen um die Hoheit über die Kontexte und Rahmenbedingungen für Konversationen und Diskurse scheint sich Frustration auszubreiten. Dieser Wettbewerb ist ein Prozess, in dem wichtige globale Angelegenheiten auf Worthülsen reduziert werden: der Krieg gegen den Terror, Wirtschaftswachstum, die Flüchtlingskrise, Klimawandel und Big Data, um nur einige der unterschiedlichen, aber dennoch eng zusammenhängenden Inhalte zu nennen. Schon in der Vergangenheit hat sich die transmediale mit diesen und vielen anderen Themen beschäftigt. Mit der diesjährigen Ausgabe möchten wir einen kritischen Blick auf die Konversation an sich werfen und das Format des postdigitalen kulturellen Events neu denken.

Der Titel Conversation Piece bezieht sich auf idealisierte Szenen der Unterhaltung zwischen mehreren Personen im Rahmen des gleichnamigen Malereigenres, das im 17. und 18. Jahrhundert populär wurde. Die Gemälde zeigen Ausschnitte aus dem Alltagsleben des Bürgertums: Teegesellschaften, Picknicke, Ausstellungsbesuche oder Salons, in denen sich Menschen zwar in privaten und informellen, aber immer auch hierarchischen Situationen unterhalten. Natürlich kann man diese idealisierten Szenen einer einheitlichen Gesprächskultur weder eins zu eins in die Gegenwart übertragen, noch ist das erstrebenswert. Unterhaltungen sind an sich schon fragmentarisch im Rahmen dessen, was wir globale Öffentlichkeit nennen; und innerhalb dieser Sphäre ist das Privileg der Teilnahme am Gespräch zumindest teilweise demokratisiert und dezentralisiert worden. Oberflächlich betrachtet mag diese Entwicklung positiv erscheinen, doch anstatt uns der radikalen Vielzahl von Themen und Positionen zu stellen, beobachten wir, wie Gesellschaften zu hierarchischen Formen der datafizierten Konversation zurückkehren: Datengewinnung tritt an die Stelle von Inhalten, der Kontext wird zunehmend wichtiger als der Text. Das einzige am historischen Conversation Piece, das sich aufzugreifen lohnt, ist die Schaffung einer gemeinsamen Grundlage für Argumente und Ansichten. Es geht nicht etwa um die beständige Grundlage eines traditionellen Wertekanons, sondern eher um das Formulieren einer Vielzahl gemeinschaftlicher Vorstellungen, und, noch wichtiger, um das Commoning von Inhalten und Ressourcen, damit diese Vorstellungen in ihrer Unterschiedlichkeit und Vielschichtigkeit anerkannt werden können.

Neue Vokabulare und Sensibilitäten sind erforderlich, um die verschiedenen sozialen, ökonomischen und technologischen Modelle benennen und unterscheiden zu können, die momentan in Reaktion auf die immer prekärer werdenden Lebensbedingungen in der Welt entstehen. Diese Situation bringt neue Vorstellungen dessen mit sich, was ein Gespräch sein kann, und einen neuen Umgang mit den im Spätkapitalismus vorherrschenden Ängsten. Auf dieser Website stellen wir die vier Aufhänger des Programms der transmediale 2016 vor: Anxious to Act, Anxious to Make, Anxious to Share und Anxious to Secure.

In Anlehnung an das historische Malereigenre Conversation Piece stellen diese mögliche ideale Szenerien dar – nur eben nicht aus dem Alltag des Bürgertums, sondern aus dem Feld zeitgenössischer kultureller Praktiken, die im gleichen Maße zwanghaft geworden sind, wie ihre Ausrichtung auf die Zukunft von ägstlicher Unsicherheit unterlegt ist. transmediale/conversationpiece hat nicht den Anspruch, den gegenwärtig herrschenden Drang, etwas tun zu müssen, aufzulösen, sondern will lediglich der Tatsache Rechnung tragen, dass der gegenseitige Austausch einen Wert an und für sich besitzt. Durch die künstlerische, multimodale Auseinandersetzung mit den diskursiven, sinnlichen und ästhetischen Aspekten der verschiedenen Themen sollen neue gemeinsame Gesprächsgrundlagen entstehen.

 

We want to act but not in vain.
We want to make but not without agency.
We want to share but not be exploited.
We want to be secure but not at the expense of others.

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